Gerade bei medienwirksamen Ereignissen wie den gesprengten Nord Stream Pipelines vor einigen Monaten muss unter Wasser gegangen werden, um genau zu sehen, was passiert ist. Unterwasserinspektionen sind heutzutage in vielen Branchen unverzichtbar, sei es in der Öl- und Gasindustrie, bei Wasserkraftwerken, Offshore-Windparks oder der Aquakultur. Inspektionen werden jedoch oft durch herkömmliche Methoden durchgeführt, wie beispielsweise den Einsatz von Tauchern oder sperrigen Robotern, die per Kabel mit einem Piloten an Land verbunden sind. Diese Methoden sind jedoch kostspielig und erfordern eine präzise Pilotierung, viel Energie und komplexe Manöver sind grundsätzlich eingeschränkt.
Das Schweizer Startup Hydromea hat sich in den letzten Jahren zu einem führenden Anbieter von Unterwassertechnologie entwickelt. Die Erfolge des Unternehmens beruhen auf mehreren innovativen Plattform-Technologien, die als eigenständige Produkte auf dem Markt angeboten werden.
Leidenschaft für Meere und Robotik
Aus der Leidenschaft für Meere und die Robotik hatte der Deutsche Alexander Bahr bereits vor fast zwanzig Jahren in Australien begonnen, den ersten Prototyp einer Drohne zu entwickeln, die sich unter Wasser bewegen kann. Ein Projekt, das er in der Schweiz fortsetzte, wo er als Postdoktorand an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) forschte.
2014 gründete er zusammen mit seinem Landsmann Felix Schill – auch er ein Postdoktorand an der EPFL – das Startup Hydromea: Ihr Ziel war es, Unterwasser-Roboter zu entwickeln und auf den Markt zu bringen.
Die rund 70 Zentimeter langen Drohnen sind in der Lage, sich bis zu einer Tiefe von etwa 300 Metern zu bewegen. Ihre Einsatzdauer beträgt sechs Stunden. Das ursprüngliche Ziel der beiden Forscher war es, diese Fahrzeuge für den Forschungseinsatz an Universitäten, Forschungszentren und Unternehmen zu entwickeln, um verschiedene Arten von Daten zu sammeln: Wassertemperatur, Sauerstoffgehalt, Trübung, Säuregehalt oder Salzgehalt des Wassers sowie Konzentrationen von Chlorophyll, Algen, Bakterien oder Schadstoffen.
Unterwasser-Blaulicht
Im Gegensatz zu Luftdrohnen können Unterwasserdrohnen nicht einfach über Radiofrequenzsysteme ferngesteuert oder durch globale Positionierungssysteme (GPS) geortet werden. Die Verwendung von akustischen Wellen zur Signalübertragung ist zwar möglich, aber die Kommunikation ist aufgrund von Verzögerungen und langsamer Übertragungsgeschwindigkeit stark eingeschränkt. Aus diesem Grund ist es nicht möglich, Unterwasser-Roboter fernzusteuern. Selbst die Videoübertragung ist schwierig, da die Übertragungsgeschwindigkeit nur wenige Kilobit pro Sekunde beträgt.
Hydromea hat deshalb das erste Unterwasser-WLAN-Netzwerk entwickelt. Leistungsstarke LED-Leuchten werden zur Datenübertragung genutzt. Unterwasser-Drohnen sind mit einem Modem verbunden, das ähnlich wie eine Taschenlampe blaue Strahlen projiziert. Blau ist die Farbe, die das Wasser am besten durchdringen kann.
Das Unterwassermodem Luma ist somit das bedeutendste Produkt von Hydromea, da es Informationen mit Lichtgeschwindigkeit in 6000 Meter Tiefe übertragen kann.Mit einer Übertragungsrate von 10 MBit/s und geringem Stromverbrauch kann Luma HD-Videos in Echtzeit streamen und gilt als eine der führenden Technologien in diesem Bereich. Im Jahr 2022 machte Luma etwa 80% des Umsatzes von Hydromea aus.
Diskdrive ist ebenenso ein bedeutendes Produkt des Schweizer Herstellers. Ein nabenloser Schubdüsenantrieb, der ein hervorragendes Verhältnis zwischen Schubkraft und Gewicht bietet. Diese wassergeschmierten Schubdüsen können in verschiedenen Größen hergestellt werden und eröffnen interessante Anwendungsmöglichkeiten in sensiblen Umgebungen.
Beide Produkte, Luma und Diskdrive, sind Schlüsseltechnologien für die halbautonome Exray-Drohne des Unternehmens. Die Exray-Drohne kann mit verschiedenen Sensoren und Werkzeugen ausgestattet werden und eignet sich ideal für die Messung von Metallkorrosion und die Durchführung kleiner Wartungsarbeiten. Die Drohne befindet sich derzeit in einem fortgeschrittenen Pilot-Stadium mit namhaften Industrieunternehmen wie DOW und Total Energy und wird voraussichtlich in der zweiten Hälfte des Jahres 2023 kommerziell verfügbar sein.
Kaum Wettbewerb
In der Unterwasserdrohnen-Branche herrscht derzeit kaum Wettbewerb. Die beiden etablierten Anbieter auf dem Markt sind das australische Unternehmen Advanced Navigation und das norwegische Unternehmen Transmark Subsea. Während Advanced Navigation vor allem in der Forschung und im Umweltbereich tätig ist, fokussiert sich Transmark Subsea auf die Aquakultur. Allerdings hat das norwegische Unternehmen Technologien dazu gekauft, um seine Drohnen schneller auf den Markt zu bringen, was zu einem Verlust der vollständigen Kontrolle führen könnte.
Hydromea befindet sich technologisch in einer guten Position, um mit diesen Anbietern mit einem technologischen Vorsprung zu konkurrieren. Insbesondere die Vision von Hydromea, Schwärme von Unterwasserdrohnen für wiederkehrende Inspektionen zu nutzen sowie Unterwasserdaten zu verkaufen, die über das Netzwerk von fest installierten Luma-Geräten gesammelt werden, sind vielversprechend.
Große Zukunfspläne
Hydromea konzentriert sich auf den Offshore-Energie und Wasserkraftmarkt. Wegen veralteter Infrastruktur und zu erwartenden häufigen Inspektionen und Wartungsmaßnahmen in diesem Bereich besteht großes Potential für das Unternehmen. Zusätzliche Märkte könnten auch im Verteidigungs- oder Sicherheitssektor liegen, da dort immer großes Interesse an Roboter- und Drohnen-Technologie besteht.
Darüber hinaus plant Hydromea, "Robots as a Service" (RaaS) anzubieten, was einen weiteren Schritt in Richtung Effizienz und Rentabilität darstellt. Mit diesen Innovationen hat Hydromea die Chance, den begrenzten Wettbewerb in der Unterwasserdrohnen-Branche zu dominieren.
Hydromea hat große Pläne für die Zukunft. Um sich den Herausforderungen zu stellen, plant das Schweizer Unternehmen im Jahr 2023 eine Kapitalerhöhung von insgesamt 5 Millionen Franken durch Eigenkapital, Subventionen und Darlehen durchzuführen. Das Unternehmen generiert mit eigenem geistigen Eigentum bereits einen Umsatz von rund 1 Million Franken und erwartet, dass dieser Umsatz im laufenden Jahr noch verdoppelt wird. Die Unternehmensbewertung von Hydromea liegt im zweistelligen Bereich und ist interessant für Investoren und Venture-Capital-Genern die sich an vielversprechenden Technologien beteiligen möchten.